USC-Kapitän Ben Döring beendet seine Rollstuhlbasketball-Karriere – am Samstag wird er sein letztes Spiel bestreiten.
E
r wurde mit dem USC München Vizemeister und drei Mal Vize-Pokalsieger. Mit der deutschen Nationalmannschaft belegte er bei den paralympischen Spielen 2004 in Athen den fünften Platz.
Ein gewöhnlicher Protagonist war der mit 3,5 Punkten klassifizierte Center nie, auch nicht, wenn es um modische Details ging: Als 25-Jähriger fuhr er mit blauen Haaren herum und viele Jahre später mit 180 Euro teuren Nike-Sportschuhen der Edition Air Jordan aufs Feld und einem Wirbelsäulen-Tattoo unterm Trikot. Das sind Auszüge aus einer großen sportlichen Laufbahn, die am kommenden Samstag (27. Februar 2016) in der Säbenerhalle zu Ende geht: Ben Döring – der Mann, der maßgeblich am sensationellen USC-Comeback in der Bundesliga beteiligt war – verabschiedet sich vom aktiven Rollstuhlbasketball.

Ben Döring trägt das wahrscheinlich ungewöhnlichste Rückentattoo der Rollstuhlbasketball-Szene. Es zeigt, welcher Lendenwirbel gequetscht ist und zur Querschnittlähmung führte. (Foto: Wolfgang Schäfer/Chris Vo)

Ben Döring (r.) bei den paralympischen Spielen 2004 in Athen. (Foto: Privat)
Rückblende. Im Juli 2013 verriet Bayern-Trainer Pep Guardiola seinen Wunschspieler: „Thiago oder nix.“ Ein Jahr später – andere Branche, andere Etage, aber gleicher Siegeswille – machte Peter Schadt ebenfalls eine klare Ansage: „Ben oder nix.“ Der Headcoach des USC München stand vor einer vermeintlich unlösbaren Aufgabe. Er sollte ein möglichst respektables Ergebnis mit dem USC liefern, der sich gerade rundum erneuerte. Indes: Für die bevorstehende Saison in der 2. Bundesliga Süd gab es nach vielen Abgängen noch gar keine Mannschaft – die Scouting-Abteilung unter der Leitung von Erich Hubel verhandelte noch mit potentiellen Kandidaten aus aller Welt.
Seit 2002 für den USC aktiv
Es waren allesamt Akteure mit Top-Niveau, die erst in vielen Gesprächen davon überzeugt werden mussten, sich einem zweitklassigen Verein anzuschließen, der zwar immer noch deutscher Rekordmeister ist, aber außer der Vision, wieder nach oben zu wollen, wenig Argumente hatte. Kurz vor Saisonbeginn im Oktober 2014 waren sie dennoch alle da – ein Kim Robins aus Australien, ein Suad Sutic aus Bosnien, ein David Ion aus Großbritannien, ein Ebrahim Ahmadi aus dem Iran, die nach München heimgekehrte Kosmopolitin Nu Nguyen. Außer Robins (der früher bei Dolphins Trier unter Vertrag stand) und Nguyen durchweg Namen, die hierzulande keiner kannte. „Eine international zusammengewürfelte Truppe, aus der nix wird“, unkten nicht wenige. Der USC München wurde sogar als Abstiegskandidat der „stärksten zweiten Liga aller Zeiten“ gehandelt.
Schadt und Präsident Wolfgang Schäfer waren allerdings überzeugt, mit dieser Mannschaft den vorhergesagten Absturz verhindern zu können. „Wenn er dabei ist, kann nichts schief gehen“, sagte Schäfer über Ben Döring, als der seine Rückkehr vom damaligen Drittligisten Rosenheim zum USC München bestätigte. Döring war mit Ausnahme eines einjährigen Gastspiels in Rosenheim seit 2002 für den USC aktiv. Nun war er wieder da, aber viele fragten sich, ob der vermeintliche Basketball-Rentner noch mal zu Leistungen wie einst fähig ist.
Der Zweifel schien berechtigt: Aus beruflichen Gründen konnte Döring nur noch ein statt drei Mal pro Woche am Mannschaftstraining teilnehmen. Gleichzeitig absolvierten Robins, Sutic und die vielen anderen Jüngeren zusätzlich tägliche Individualeinheiten. Schäfer war sich seiner Sache jedoch sicher: „Ben muss sich nicht viel vorbereiten. Er ist so erfahren und abgezockt wie kaum ein anderer, der weiß einfach in jedem Augenblick, wie er fahren, passen, werfen und notfalls auch mal foulen muss.“
Nicht nur Höhepunkte
„Wie heißt der noch mal?“ fragt Ben Döring so überzeugend vergesslich, wenn man ihn nach seinem ehemaligen Nationalcoach fragt. „Na, Du weißt schon, der, der auch Lahn-Dill trainiert.“ Ach so, ja, Nicolai Zeltinger. Bis heute verstehen Döring – und viele Experten – nicht, warum Zeltinger seinen Münchner Center bei der EM 2007 in Israel und bei den Paralympics 2012 in Großbritannien nicht nominierte. Döring verheimlicht seinen Frust nicht: „Auf den werde ich noch mein Leben lang sauer sein.“
Tatsächlich war Döring die tragende Stütze, als der USC München in der Saison 2014/15 den selbst von Optimisten nicht erwarteten Aufstieg in die höchste Liga schaffte – und das ohne Niederlage bei einer Serie von 14 Siegen in Folge. Während Robins dank seiner spektakulären Dribblings und Körbe zum Publikumsliebling wurde und Sutic nach einer schwierigen Eingewöhnungszeit als bulliger Center überzeugte, agierte Döring manchmal geradezu unsichtbar. Weder auf noch neben dem Feld gerierte sich der 1,90 Meter große Athlet laut oder aufgeregt. Effektive Aktionen sind ihm lieber als Showeinlagen. So kam es, dass viele Zuschauer erst nach dem Abpfiff, als die erfolgreichsten Schützen genannt wurden, verwundert fragten: „Was, der Ben hat schon wieder so viele Punkte gemacht?“
Immer gesetzt
Big Ben oder das Phänomen hat ihn deshalb das USC-Magazin DAHOAM genannt. Einer, der Spiele entschied, obwohl er so selten trainiert. Was vielleicht auch daran lag, dass Döring das volle Vertrauen von allen Seiten genoss. Obgleich ein Mann der leisen und manchmal ironischen Töne, war er innerhalb der Gruppe eine Autorität. Einer, der seine Aufgabe nicht darin sah, MitstreiterInnen zu beaufsichtigen, sondern Talente wie Lisa Nothelfer zu pushen. Einer, der bei seinem Übungsleiter Schadt gesetzt war, selbst wenn er gelegentlich die ersten Minuten eines Spiels dazu nutzte, sich mit Airballs – also Würfen, die nicht einmal den Ring erreichten und sich irgendwo in der Luft verirrten – warm zu schießen.
Inzwischen hat sich einiges geändert. In der 1. Bundesliga, fand Döring selbstkritisch, genügt es nicht mehr, ein Phänomen zu sein. Der Ton im Kader ist auf dem Weg zur Professionalität ein anderer geworden. Der Betriebswirt hat als Medizinprodukteberater der Firma Coloplast in den vergangenen Monaten immer mehr Aufgaben bekommen und fehlte andererseits zunehmend im Training und bei einigen Spielen. „Das ist einfach nicht mein Anspruch, nicht die volle Leistung abrufen zu können“, sagt der 36-Jährige. „Ich mache ungerne etwas halbherzig“. Big Ben hat sich deshalb entschieden für: Nix. Gegen RSB Thuringia Bulls wird Ben Döring sein letztes Spiel bestreiten.
Der USC München sagt für die vielen gemeinsamen Jahre: DANKE.

Der Kapitän geht: Ben Döring. (Foto: Johannes Rodach)
Oben: Ben Döring in der Säbenerhalle (Foto: Chris Vo)